Lipid-basierte Arzneimittelverabreichungssysteme (engl.: Lipid-based Drug Delivery Systems, kurz: LBDDS) werden bereits seit den 1960er erforscht und entwickelt. Das Hauptziel ist dabei die Erarbeitung von Formulierungen, welche die Bioverfügbarkeit von Arzneimitteln erhöhen und damit gleichzeitig unerwünschte Nebenwirkungen reduzieren. Im Jahr 2020 erhielt diese Technologie durch ihre Anwendung bei der SARS-CoV-2-Impfung große Aufmerksamkeit. In diesem ersten Teil unseres LBDDS-Zweiteilers soll es um den Aufbau und die Zusammensetzung von Lipid-basierten Arzneimittelverabreichungssystemen sowie um die unterschiedlichen Arten der LBDDS gehen. Neben der Anwendung bei mRNA-Impfstoffen gibt es noch weitere Einsatzmöglichkeiten für LBDDS, von denen wir hier einige vorstellen möchten.
Diese Themen warten auf Sie:
2) Welche LBDD-Systeme gibt es?
3) Aus welchen Komponenten können LBDD-Systeme bestehen?
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Was sind LBDD-Systeme?
Im Jahr 1964 entdeckte die Arbeitsgruppe um Alec Douglas Bangham das sogenannte Liposom [1]. Bei Liposomen handelt es sich um Vesikel, die aus einer Lipid-Doppelschicht (z.B. Phospholipide oder Fettsäuren) bestehen und im Inneren eine wässrige Phase einschließen (Abb. 1). Die Lipide sind amphiphil, was bedeutet, dass die Moleküle einen lipophilen und einen hydrophilen Teil aufweisen. Innerhalb der Lipid-Doppelschicht zeigen die hydrophilen Anteile jeweils nach außen und die lipophilen Teile nach innen, sodass im Inneren des Liposoms eine wässrige Phase existieren kann (Abb. 1). Ist der Aufbau der Lipidstruktur des Liposoms umgekehrt (wenn die lipophilen Anteile nach außen zeigen), handelt es sich um ein sogenanntes Reverse-Phase-Liposom, bei dem im Inneren eine lipophile Phase eingebracht werden kann [2]. Das Liposom stellt das erste kommerziell genutzte LBDD-System dar. Beispiele für zugelassene Medikamente, die Liposome als Drug Delivery-System nutzen, sind unter anderem:
- Epaxal: Hepatitis A-Impfstoff
- Influvac: Influenza-Virus Impfstoff
- Amphotericin B: Antimykotikum gegen systemische Pilzinfektionen
- Verteporfin: Altersbedingte Makuladegeneration, Myopie
- Perflutren: Kontrastmittel für die Ultraschalluntersuchung
Abbildung 1: Schematische Darstellung des Liposoms (Quelle: Cayman Chemical). Die Hülle von Liposomen besteht aus einer Lipid-Doppelschicht (z.B. Phospholipide). Die Lipide weisen einen lipophilen und einen hydrophilen Teil auf. Bei klassischen Liposome zeigen die lipophilen Teile ins Innere der Lipid-Doppelschicht und die hydrophilen Anteile nach außen, sodass im Kern des Liposoms eine wässrige Phase existieren kann. Hier können hydrophile Medikamente eingekapselt werden, wohingegen hydrophobe Medikamente innerhalb der Lipidhülle verpackt werden können.
LBDD-Systeme sind äußerst vielseitig und ermöglichen die Verabreichung verschiedener, bioaktiver Moleküle (wie zum Beispiel niedermolekulare Inhibitoren und Impfstoffkomponenten), in Zielzellen und -gewebe. LBDDS haben mehrere Vorteile gegenüber herkömmlichen Verabreichungsmethoden. Dazu gehören etwa eine verbesserte Stabilität, eine höhere Bioverfügbarkeit und eine bessere Verteilung des Medikaments. Vor allem schlecht wasserlösliche Arzneimittel stellen bei der Verwendung eine Herausforderung dar, was Probleme für die Entwicklung solcher Medikamente mit sich bringt. Lipid-basierte Arzneimittelverabreichungssysteme bieten sich daher bei der Verabreichung solcher Mittel besonders gut an. Die Verabreichung von Medikamenten, die über LBDD-Systeme verpackt werden, kann grundsätzlich oral, parenteral, okulär, intranasal und auch dermal/transdermal erfolgen. Im Allgemeinen wird jedoch die orale Gabe von Medikamenten bevorzugt, da dies für den Patienten sowohl am einfachsten als auch am kostengünstigsten ist, besonders im Hinblick auf die Behandlung von chronischen Krankheiten [3]. Neben „dem Klassiker“ Liposom wurde im Bereich der LBDD-Systeme eine Vielzahl weiterer, unterschiedlichen Verpackungseinheiten entwickelt, die verschiedene Bedürfnisse erfüllen.
Welche LBDD-Systeme gibt es?
Man unterscheidet LBDD-Systeme allgemein nach ihrem Aufbau und der chemischen Beschaffenheit ihres Kerns. Je nach Aufbau eignen sie sich zum Transport von unterschiedlichen Stoffen (Abb. 2).
1. Lipid-Nanopartikel (LNP) bestehen aus einer Lipidhülle, die einen inneren Kern aus reversen Mizellen umgibt. In diesen Mizellen werden Oligonukleotide wie siRNA, mRNA und Plasmid-DNA (pDNA) einkapselt.
2. Die bereits erwähnten Liposomen bestehen aus einer oder mehreren Lipid-Doppelschichten und einem wässrigen Kern. Sie werden nach ihrer Lamellarität und Größe unterschieden. Je nach Ausrichtung der Lipid-Doppelschicht können Liposomen für die Verabreichung von hydrophoben und/oder hydrophilen kleinen Molekülen verwendet werden (s. auch Abb. 1).
3. Feste Lipidnanopartikel (SLN) sind aus einer Tensidhülle aufgebaut, welche eine Kernmatrix aus festen Lipiden umgibt. Sie werden für die Verkapselung von hydrophoben und/oder hydrophilen Wirkstoffen verwendet.
4. Nanostrukturierte Lipidträger (NLCs) sind ebenfalls aus einer Tensidhülle aufgebaut, die eine Kernmatrix aus festen und flüssigen Lipiden umgibt. Sie werden für die Verkapselung von hydrophoben und/oder hydrophilen Stoffen verwendet.
5. Mizellen sind eine Selbstansammlung von Lipid-Monoschichten in wässrigen Lösungen. Sie haben einen hydrophoben Kern, bei dem die Phospholipidschwänze nach innen gerichtet sind. Sie können für die Verkapselung kleiner, hydrophober Ladungen verwendet werden.
6. Reverse Mizellen sind eine umgekehrte Struktur im Vergleich zu traditionellen Mizellen. Sie bilden einen hydrophilen Kern, bei dem die Phospholipidschwänze nach außen gerichtet sind. Sie können für die Verkapselung kleiner, hydrophiler Ladungen, wie z.B. Oligonukleotide in LNPs verwendet werden.
Abbildung 2: Übersicht über verschiedene LBDD-Systeme (Quelle: Cayman Chemical).
Aus welchen Komponenten können LBDD-Systeme bestehen?
Lipid-Nanopartikel (LNP) bestehen meistens aus kationischen Lipiden, Glycerophospholipiden, Sterolen und PEG-assoziierten Lipiden. Diese PEG-assoziierten Lipide beinhalten die eingekapselten Oligonukleotide in einer wässrigen Phase. Andere LBDD-Systeme enthalten oft ähnliche Strukturelemente, aber zum Beispiel auch Tenside. Die Auswahl der strukturellen Lipide bestimmt das Verhalten und die Eigenschaften eines LBDD-Partikels und daher ist die Auswahl der richtigen Komponenten bei der Formulierung ausschlaggebend. Zum Beispiel tragen neutrale Phospholipide zur Effizienz der Membranfusion der LBDD-Partikel bei. Anionische Lipide werden oft in neutrale LBDD-Systeme eingebaut, um vor allem kleine Moleküle zu verpacken. Sie verhindern die Aggregation der kleinen Partikel während einer Lagerung. Sterole, wie z. B. Cholesterin, machen meistens 20-50% der LBDD-Formulierungen aus. Sie werden verwendet, um Defekte in der Lipidmembranpackung zu füllen und die strukturelle Integrität zu gewährleisten [2]. Darüber hinaus helfen sie auch bei der Membranfusion von LNP und Zielzelle. Stattet man die Hülle der LBDD-Formulierung mit PEG-assoziierten Lipiden aus, kann so verhindert werden, dass die LBDD-Partikel fälschlicherweise an Serumproteine binden und durch das mononukleare Phagozyten-System (MPS) aufgenommen und abgebaut werden. Die Aufnahme durch das MPS stellt ein Hindernis bei der Verwendung von LBDDS dar und kann mithilfe solcher PEG-assoziierten Lipiden umgangen werden. Um Oligonukleotide in LNP einzukapseln, werden vor allem kationische Lipide verwendet. Dabei wurden hierfür speziell ionisierbare, kationische Lipide entwickelt, die keine unerwünschte Zytotoxizität erzeugen, wie es bei normalen kationischen Lipiden der Fall ist.
LBDD-Systeme bieten viele Möglichkeiten, Medikamente effektiv und mit weniger Nebenwirkungen zu verabreichen. Dabei kommen je nach Ladung unterschiedliche Partikel in Frage, die individuell formuliert und modifiziert werden können. Unser Partner Cayman Chemical bietet hochwertige Lipidkomponenten an, die zum Aufbau von Lipidpartikeln als Forschungsinstrumente verwendet werden können, sowie LNP-Explorationskits und Kunden-spezifische Lipidsynthese zur Unterstützung bei der Entwicklung von Arzneimitteln bis zur präklinischen Phase. Sie finden alle LBDD-Produkte von Cayman, indem Sie auf den unten stehenden Link klicken.
Klicken Sie hier: Alle LBDD-Produkte von Cayman Chemical
Wenn Sie an weiteren Einzelheiten über LBDD-Systeme interessiert sind, lesen Sie Caymans neuen Leitfaden zur Formulierung von Lipid-Nanopartikeln. Bleiben Sie außerdem dran für den zweiten Teil unserer LBDDS-Serie in unserem Blog, in dem Sie mehr über die Geschichte der LNP sowie ihre medizinischen Anwendungen bis hin zu ihrer Verwendung bei der SARS-CoV-2-Impfung erfahren werden!
Quellen:
[1] https://flexikon.doccheck.com/de/Liposom
[2] An Introduction to Lipid Nanoparticle Formulation: Basic Concepts & Preparation Procedures, Article from 2022-02-23, Christy R. Cuthbertson, Ph.D. and Melissa A. Parsey, Ph.D. - Technical Writers, Cayman Chemical
[3] Lipid-Based Drug Delivery Systems, Hina Shrestha, Rajni Bala, and Sandeep Arora, Journal of Pharmaceutics, Volume 2014, Article ID 801820
Abb. 1 und 2 nach Cayman Chemicals https://www.caymanchem.com/news/intro-to-lipid-nanoparticle-formulation